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Pflichtteilsrecht

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Bei der Gestaltung des Behindertentestaments werden mitunter die Auswirkungen auf das Pflichtteilsrecht übersehen. Wird beispielweise die Tochter mit einer geistigen Behinderung testamentarisch nicht berücksichtigt und damit enterbt, gewährt ihr das Gesetz den Pflichtteilsanspruch. Sofern der Pflichtteilsanspruch nicht unter die Vermögensschonfreibeträge fällt, ist der Pflichtteilsanspruch auf den Sozialhilfeträger überleitbar und kann von diesem geltend gemacht werden. Nur in Ausnahmefällen führt die Enterbungslösung zum gewünschten Ergebnis, wenn, wie oben beschrieben, die Schonfreibeträge ausgenutzt werden können. Hat das Kind mit Behinderung kein über 10.000 Euro liegendes Bar-Schonvermögen, kann es bis zu weiteren 50.000 Euro (seit dem 01.01.2020) als für die Lebensführung und Alterssicherung angemessen durch Pflichtteil, Vermächtnis oder Erbteil erwerben. Dies gilt aber nur für den Fall, dass das Kind mit Behinderung lediglich Eingliederungshilfe erhält. In der Regel ist das Kind mit Behinderung bei der Gestaltung des klassischen Behindertentestaments in jedem Erbfall als Erbe mit einer Erbquote, die über der Pflichtteilsquote zu liegen hat, zu berücksichtigen. Eine etwaige Überleitung des Pflichtteilsanspruchs auf den Sozialhilfeträger wird vermieden und die Rechtsfolgen der gesetzlichen Vorschrift des § 2306 BGB werden abgemildert.

Im weiteren sind etwaige Pflichtteilsergänzungsansprüche zu berücksichtigen, die ebenfalls auf den Sozialhilfeträger überleitbar sind. Hat beispielweise ein Geschwisterkind des Kindes mit Behinderung zu Lebzeiten von seinen Eltern einen größeren Geldbetrag erhalten, kann dieses einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen. Pflichtteilsergänzungsansprüche können durch die Anordnung eines Vorausvermächtnisses vermieden werden, wobei das Kind mit Behinderung Vorvermächtnisnehmerin wird und Vermächtnisvollstreckung angeordnet wird.

Pflichtteilsverzicht und Behindertentestamen

Bei der Gestaltung des Behindertentestaments ist auch die Frage zu stellen, ob der Mensch mit Behinderung einen Pflichtteilsverzichtsvertrag erklären darf? Bei dem Pflichtteilsverzichtsvertrag handelt es sich um einen Vertrag zwischen dem Erblasser und dem verzichtendem Pflichtteilsberechtigten. Gemäß § 2346 Abs 1 BGB können Verwandte sowie der Ehegatte des Erblassers durch Vertrag mit dem Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichten. Der Verzichtende ist von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte; er hat kein Pflichtteilsrecht. Nach § 2346 Abs. 2 BGB kann der Verzicht auf das Pflichtteilsrecht beschränkt werden. Insoweit gewährt das Gesetz den Beteiligten die Möglichkeit einen Pflichtteilsverzichtsvertrag miteinander abzuschließen, sofern dies höchstpersönlich durch die Beteiligten erfolgt, der Mensch mit Behinderung geschäftsfähig ist und der Vertrag notariell beurkundet wird. Der Abschluss eines solchen Verzichts durch einen sozialhilfebedürftigen Menschen mit Behinderung ist nicht sittenwidrig.

„Der Pflichtteilsverzicht eines behinderten Sozialleistungsbeziehers ist grundsätzlich nicht sittenwidrig.“ (BGH NJW 2011, 1586)

Die Entscheidung darüber, ob ein Erbe die Erbschaft bzw. den Pflichtteil erhalten wolle, werde durch die Privatautonomie gedeckt. Grundsätzlich sei danach jeder frei in seiner Entscheidung, ob er Erbe eines anderen werden oder auf andere Art und Weise etwas aus dessen Nachlass bekommen will. Der Pflichtteilsverzichtsvertrag kann in Abstimmung mit einem Behindertentestament erklärt werden. Im Einzelfall kann der Pflichtteilsverzicht, sofern er an eine Gegenleistung gebunden ist, die ihrerseits nicht zu einer Bedarfsdeckung im nachrangigen Leistungssystem führt, als Gestaltungsalternative zum Behindertentestament bestehen. Der Pflichtteilsverzicht kann beispielweise an die Einräumung eines Wohnungsrechtes unter der Einbeziehung der Regeln des SGB XII/SGB II zu den Kosten der Unterkunft geknüpft werden, um dem Betroffenen eine bessere Wohnsituation zu verschaffen. Wohnrechte können nicht auf den Sozialhilfeträger übergeleitet werden.

Sofern eine Geschäftsunfähigkeit besteht, wäre die Erklärung zum Pflichtteilsverzichtsvertrag vom gesetzlichen Vertreter des geschäftsunfähigen Pflichtteilsberechtigten abzugeben. In diesem Fall müsste eine gerichtliche Genehmigung eingeholt werden, § 2347 BGB. Diese wird aber nur dann erteilt, wenn eine wirtschaftlich annährend vollwertige Abfindung für den Verzicht bezahlt wird, da die Erklärung andernfalls nicht dem Wohl des Verzichtenden entspricht. Der Pflichtteilsverzichtsvertrag als Gestaltungsinstrument für Menschen mit pflichtteilsberechtigten behinderten Angehörigen wird daher in erster Linie bei einem geschäftsfähigen Behinderten in Betracht kommen.

Insoweit sind bei der Gestaltung des Behindertentestaments die Pflichtteilsrechte i.d.R. der eigenen Abkömmlinge oder des Ehegatten zu berücksichtigen, um eine Überleitung auf den Sozialhilfeträger zu vermeiden.

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