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Stiftungsrechtsreform (Teil 1) – Ziele des Gesetzgebers und wesentliche Änderungen

Am 22.07.2021 ist das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts, welches zum 01.07.2023 in Kraft tritt, verkündet worden, sog. Stiftungsrechtsreform. Mit der Reform hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, das Stiftungsrecht zu vereinheitlichen.

Das Stiftungsrecht, welches die Entstehung und die Verfassung der rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts bestimmt, beruht grundsätzlich auf Bundes- und Landesrecht. Ein einheitliches Stiftungsrecht existierte bisher nicht. Durch diese Rechtszersplitterung ist es wiederholt in der Stiftungspraxis zu rechtlichen Streitfragen gekommen. Mit der Gesetzesreform sollen diese Rechtsunsicherheiten beseitigt werden. Künftig ist das Stiftungszivilrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch abschließend geregelt, wodurch die bestehenden Landesstiftungsgesetze an das ab dem 01.07.2023 geltende Bundesrecht anzupassen sind.

Im Kern bleibt es dabei, dass es für die Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung des Privatrechts, eines Stiftungsgeschäftes, einer Satzung und der Anerkennung durch die zuständige Behörde bedarf. Im Einzelnen weichen die Regelungen aber erheblich von dem bisher geltendem Recht ab, wodurch auch bestehende rechtsfähige Stiftungen vor dem Inkrafttreten der Gesetzesreform ihre Satzung überprüfen und ggfs. anpassen sollten. Hierzu erscheint in Kürze der zweite Teil in unserer Themenreihe zur Stiftungsrechtsreform.

Im Folgenden werden die zehn wichtigsten Änderungen der Reform vorgestellt.

I. Verbot der Stiftung auf Zeit und Verbrauchsstiftungen

Durch die Gesetzesreform verbleibt es bei dem Verbot, Stiftungen auf Zeit zu errichten, die ihr Vermögen erhalten und nicht verbrauchen. Mit der Neuregelung von § 80 Abs. 1 S. 2 BGB n.F. wird der Ewigkeitscharakter von rechtsfähigen Stiftungen sowie die Möglichkeit, eine Verbrauchsstiftung zu errichten, bestätigt. Gemäß § 80 Abs. 1 S. 2 BGB n.F. können daher Stiftungen nur auf unbestimmte Zeit oder auf bestimmte Zeit errichtet werden, innerhalb derer ihr gesamtes Vermögen zur Erfüllung ihres Zwecks zu verbrauchen ist.

Verbrauchsstiftungen müssen eine Mindestlebensdauer von 10 Jahren haben. Diese soll die dauernde Erfüllung des Stiftungszwecks sicherstellen, § 82 S. 2 BGB n.F. Bei der Errichtung einer Verbrauchsstiftung müssen die Stifter künftig beachten, dass die Satzung detaillierte Regelungen im Hinblick auf die Zeit der Errichtung sowie den Verbrauch des Stiftungsvermögens enthalten muss, vgl. § 81 Abs. 2 S. 2 BGB n.F.

II. Letztwillige Stiftungserrichtung

Im neuen Stiftungsrecht verbleibt es bei der bisherigen Regelung des § 84 BGB a.F. Wird die Stiftung erst nach dem Tode des Stifters anerkannt, so gilt sie für Zuwendungen des Stifters als schon vor dessen Tod entstanden, § 80 Abs. 2 S. 2 BGB n.F.

III. Stiftungsgeschäft und Vermögenswidmung

In § 81 Abs. 1 BGB n.F. werden die Regelungen zum Stiftungsgeschäft weitestgehend übernommen. Zukünftig bedarf es im Stiftungsgeschäft keine näheren Regelungen zum Vermögen der Stiftung mehr. Stattdessen muss das Stiftungsgeschäft in Zukunft auch eine Vermögenswidmung enthalten, wonach der Stiftung zur Erfüllung des Stiftungszwecks ein Vermögen zur eigenen Verfügung überlassen wird, vgl. § 81 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

Mit dieser Einführung hat der Gesetzgeber die Streitfrage geklärt, ob ein Stifter, der eine noch zu errichtende Stiftung als Erbin einsetzt, Dauertestamentsvollstreckung hinsichtlich des Erbteils der Stiftung anordnen kann. Der Gesetzgeber hat die Anordnung einer solchen Dauertestamentsvollstreckung ausgeschlossen und sich einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt aus dem Jahre 2010 angeschlossen. Insoweit haben Stifter, die eine rechtsfähige Stiftung durch Verfügung von Todes wegen (Testament, Erbvertrag) errichten wollen, zu prüfen, ob ihre Anordnungen in der Verfügung von Todes wegen mit der Gesetzesreform vereinbar sind. Gegebenenfalls ist die Verfügung von Todes wegen zu ändern.

IV. Form des Stiftungsgeschäfts

Der Gesetzgeber hat in § 81 Abs. 3 BGB n.F. klargestellt, dass das Stiftungsgeschäft grundsätzlich nur der Schriftform bedarf. Einer notariellen Beurkundung in analoger Anwendung von § 311b BGB oder § 15 Abs. 3 GmbHG bedarf es nicht. Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln aus dem Jahre 2019, die eine notarielle Beurkundung noch befürwortete, ist künftig obsolet geworden.

V. Stiftungsvermögen

83b BGB n.F. enthält Regelungen zur Zusammensetzung des Stiftungsvermögens. Das Stiftungsvermögen rechtsfähiger Stiftungen, die auf unbestimmte Zeit errichtet wurden, besteht aus dem Grundstockvermögen und dem sonstigen Vermögen. Der Gesetzgeber führt durch die Reform den in der Stiftungspraxis bereits geläufigen Begriff des Grundstockvermögens im Stiftungszivilrecht ein. Zum Grundstockvermögen gehören gemäß § 83b Abs. 2 BGB n.F.:

1. das gewidmete Vermögen,

2. das der Stiftung zugewendete Vermögen, das vom Zuwendenden dazu bestimmt wurde, Teil des Grundstockvermögens zu werden (Zustiftung), und

3. das Vermögen, das von der Stiftung zu Grundstockvermögen bestimmt wurde.“

Das Grundstockvermögen ist ungeschmälert zu erhalten und der Stiftungszweck mit den Nutzungen aus dem Grundstockvermögen zu erfüllen, § 83c Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB.

Vom Grundstockvermögen ist das sonstige Vermögen zu unterscheiden. Zum sonstigen Vermögen gehören alle Vermögensgegenstände, die nicht zum Grundstockvermögen gehören.

Der o.g. Vermögenserhalt bezieht sich auf das Grundstockvermögen als Ganzes und beschränkt sich nicht nur auf das Verbot des Verbrauchs von Grundstockvermögen, sondern verlangt von den zuständigen Stiftungsorganen auch das Vermögen als Mittel zur Erfüllung des Stiftungszwecks so zu verwalten, dass die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks durch die Nutzungen aus dem Vermögen sowohl gegenwärtig als auch langfristig gewährleistet ist (BT-Drucks. 19/31118, S. 56). Zudem wird dem Stifter die Möglichkeit eingeräumt, dass er einen Teil seines gewidmeten Vermögens im Stiftungsgeschäft zu sonstigem verbrauchbaren Vermögen bestimmen kann. Die Verwendung von Umschichtungsgewinnen oder der vorübergehende Teilverbrauch von Grundstockvermögen sind auch möglich. Die Stiftungssatzungen müssen entsprechende Regelungen enthalten.

VI. Satzungsänderungen

Im Mittelpunkt der Reform stehen insbesondere die Neuregelungen zur Satzungsänderung einer Stiftung. Das Gesetz unterscheidet zukünftig zwischen drei Kategorien von Satzungsänderungen, wobei die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Satzungsänderung an der jeweiligen Eingriffsintensität in die Stiftungsverfassung ausgerichtet ist, vgl. § 85 Abs. 1 – 3 BGB n.F.

Dem Stifter wird durch das Gesetz die Möglichkeit eingeräumt abweichende Regelungen zur Satzungsänderung im Stiftungsgeschäft zu treffen. Diese Regelungen sind aber nur wirksam, wenn der Stifter konkrete Leitlinien und Orientierungspunkte für die Satzungsänderungen vorgibt. Bei bestehenden rechtsfähigen Stiftungen ist zu berücksichtigen, dass solche Änderungsmöglichkeiten im Stiftungsgeschäft nicht mehr vorgenommen werden können. Daher empfiehlt es sich, bestehende Satzungen an die Gesetzesreform noch vor dem 01.07.2023 anzupassen.

Das Verfahren der Satzungsänderung ist künftig zweistufig. Das zuständige Stiftungsorgan entscheidet zunächst über die Satzungsänderung, die im zweiten Schritt unabhängig vom jeweiligen Bundesland durch die zuständige Behörde zu genehmigen ist.

VII. Organe der Stiftung

Der Gesetzgeber hat die bisherigen Verweisungen in das Vereinsrecht aufgegeben und im Stiftungszivilrecht selbstständige Regelungen zu den Stiftungsorganen aufgenommen. Bei den Neuregelungen ist insbesondere die sog. buisness-judgement-rule hervorzuheben. In Anlehnung an § 93 Abs. 1 S. 2 Aktiengesetz kann die Haftung von Stiftungsorganmitgliedern beschränkt werden. Entsprechend liegt gemäß § 84a Abs. 2 S. 2 BGB n.F. eine Pflichtverletzung eines Stiftungsorganmitglieds nicht vor, wenn das Mitglied des Organs bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln. Dies wird insbesondere bei nachteiligen Anlageentscheidungen des Stiftungsvermögens relevant. Daneben ermöglicht die Reform u.a. die Beschränkung oder den Ausschluss der Haftungsprivilegierung von ehrenamtlich oder geringfügig vergüteten Organmitgliedern.

VIII. Zulegung und Zusammenlegung

Mit der Reform hat der Gesetzgeber bundeseinheitlich die Zulegung und Zusammenlegung von Stiftungen gemäß §§ 86 – 86h BGB n.F. geregelt. Nach bisherigem Recht sahen die meisten Landesstiftungsgesetze die Möglichkeit einer solchen Zusammenführung von Stiftungen vor. Mit diesen Neuregelungen räumt der Gesetzgeber insbesondere notleidenden Stiftungen, die beispielweise wegen der aktuellen Niedrigzinsphase keine Erträge zur Verfolgung des Stiftungszwecks erwirtschaften, die Möglichkeit einer Umstrukturierung ein, um den Stiftungszweck ggfs. fortführen zu können.

IX. Auflösung der Stiftung

Durch die Gesetzesreform ist es den Organen der Stiftung künftig möglich, die Stiftung aufzulösen, § 87 BGB n.F. Nach dem noch geltenden Bundesrecht konnte bisher nur die zuständige Stiftungsbehörde eine Stiftung aufheben, § 87 Abs. 1 BGB a.F. Die Neuregelung stellt im Stiftungszivilrecht ein Novum dar, welches einerseits gewissermaßen den Ewigkeitscharakter einer rechtsfähigen Stiftung berührt, andererseits aber unterkapitalisierten Stiftungen die Möglichkeit der Liquidation ermöglicht.

X. Stiftungsregister

Den rechtsfähigen Stiftungen soll zukünftig im Rechtsverkehr mehr Transparenz verliehen werden. Die bisherigen Stiftungsverzeichnisse der Länder haben nicht die Publizitätswirkung wie das Handels- oder Vereinsregister. Deshalb wird zum 01.01.2026 ein Stiftungsregister mit Publizitätswirkung eingeführt.

In Teil 2 der Themenreihe werden die Auswirkungen der Stiftungsreform auf bestehende rechtsfähige Stiftungen vorgestellt. Vorab ist anzumerken, dass eine fachlich qualifizierte Überprüfung bestehender Stiftungssatzung sowie ggfs. eine Anpassung an die neue Rechtslage vor dem 01.07.2023 empfohlen wird.